Beinahe hätte ich es verpasst: Mein 15-jähriges Dienstjubiläum als freie Journalistin!

Neulich feierte die Tanzschule, in der mein Mann und ich Standard und Latein tanzen, ihr 15-jähriges Bestehen. Anderthalb Jahrzehnte Tanzschule, das sind auch anderthalb Jahrzehnte Selbstständigkeit. Und erst bei der unterhaltsamen, teilweise auch sehr emotionalen Ansprache des Tanzschulinhabers fiel mir auf einmal auf, dass eigentlich auch ich 2018 mein 15-jähriges Jubiläum als Selbstständige feiern könnte.

Fristlose Kündigung, Arbeitsamt-Sperre, miese Jobperspektive

Ich setzte im Mai 2003 zum Sprung in die Selbstständigkeit an. Damals nicht ganz freiwillig, wohlgemerkt. Meinen Job als verantwortliche Redakteurin für den Themenbereich Chirurgie in einem kleinen Medizinverlag am Hamburger Stadtrand hätte ich eigentlich gern behalten. Auch wenn sich gerade die Wege des Verlags und des Berufsverbandes Niedergelassener Chirurgen (BNC) bei der Produktion von dessen Verbandszeitschrift getrennt hatten. Doch dann wurde ich im Dezember 2002 unvermittelt, ohne triftigen Grund auf ziemlich unfeine Art vor die Tür gesetzt. Eine völlig unberechtigte fristlose Kündigung trifft vermutlich jeden Arbeitnehmer hart. Als alleinerziehende Mutter, die zu jenem Zeitpunkt nicht einmal mehr Unterhaltsvorschuss vom Amt bekam, stand ich nach meiner Kündigung vollends vor einem großen Nichts. Drei Monate Sperre vom Arbeitsamt, schwierige Berufsperspektive angesichts eines infolge der Medienkriese leergefegten Arbeitsmarkts, auf dem ich wohl kaum einen neuen Job mit 30-Stunden-Woche gefunden hätte.

Vertrautes Projekt mit bekannten Protagonisten

Zum Glück gelang es mir, das Arbeitsgericht davon zu überzeugen, dass die fristlose Kündigung haltlos war. Ebenso gelang es mir, das Sozialgericht davon zu überzeugen, dass das Arbeitsamt mir für die fälschlicherweise gesperrten Monate sehr wohl rückwirkend Arbeitslosengeld zu zahlen hat. Und ich hatte großes Glück, dass der BNC rasch spitzbekam, dass ich nicht mehr im Verlag arbeitete und womöglich auf der Suche nach einem neuen Job war. Der Verband hatte nach der Trennung von seinem alten Verlag eine neue Mitgliederzeitschrift gegründet und war auf der Suche nach einer passenden Redakteurin. Zwar nicht im Rahmen einer Festanstellung, sondern auf freiberuflicher Basis – doch angesichts eines mir vertrauten Projekts mit regelmäßigem Pauschalhonorar verlor der Gedanke an Freiberuflichkeit auf einmal seinen Schrecken.

Respekt vor Finanzamt, Buchhaltung, Steuererklärung

Ich erinnere mich noch gut, wie nervös ich war, als ich nach der Abgabe meiner ersten freiberuflich produzierten Ausgabe des „Chirurgen Magazin“ meine Rechnung Nr. 001 stellte. Anfangs war mir der Gedanke völlig fremd, dass ich als Freiberuflerin projektbezogen bezahlt werde und nicht etwa nach dem bloßen Zeitraum, den ich für die Zeitschriftenproduktion an Bord war. Ebenso weiß ich noch genau, wieviel Respekt ich zunächst vor der Anmeldung beim Finanzamt, der monatlichen Buchhaltung und der Steuererklärung hatte.

Wer weniger zahlen will, bekommt weniger Leistung

Und ich erinnere mich, wie unsicher ich anfangs bei der Kalkulation von Angeboten war: „Kann ich soviel Geld verlangen? Ist meine Arbeit das wert?“ Sehr hilfreich waren in dieser Zeit Gespräche mit einem guten Freund, der mir als Existenzgründer bereits ein paar Jahre voraus war. Er ermutigte mich, mich nicht auf Preisdumping einzulassen, wie es im Umgang mit freien Journalisten leider allgegenwärtig ist. „Das ist einfache Multiplikation: Stundensatz x veranschlagte Zeit. Wenn einem Kunden dein Preis zu hoch ist, dann lass dich bloß nicht runterhandeln“, empfahl er mir. „Wenn er weniger bezahlen möchte, bekommt er halt auch weniger von dir, dann streichst du eben ein paar Positionen aus deinem Angebot.“ Für diesen Rat bin ich ihm bis heute sehr dankbar, denn er hat mir sehr geholfen, in Preisverhandlungen selbstbewusst aufzutreten und mich nicht unter Wert zu verkaufen.

Der ideale Türöffner bei der Kundenakquise

Zum Glück taugte mein „Chirurgen Magazin“ ganz hervorragend als Referenzobjekt, wann immer ein potenzieller Neukunde gern wissen wollte, was und wie ich arbeite. Das Magazin diente mir in vielen Gesprächen als Türöffner, sodass bald weitere Kunden und Aufgaben hinzukamen: Pressearbeit für diverse ärztliche Berufsverbände, freie Mitarbeit bei PR-Agenturen, Industrieunternehmen und in den Redaktionen verschiedener medizinischer Fachzeitschriften. Inzwischen passt selbst mein Kurzprofil nur noch mit Mühe und kleiner Schrifttype auf eine Seite. Ich werde es wohl demnächst einmal ausmisten und die Liste meiner Kunden auf das Wesentliche reduzieren müssen.

Zufriedener Rückblick und ungefragte Ratschläge

Wenn ich heute nach nunmehr 15 Jahren Selbstständigkeit zurückblicke, dann bin ich sehr froh, dass ich diesen anfangs so bedrohlich scheinenden Schritt gewagt habe. Ich genieße es, mir meine Zeit frei einteilen zu können. Es ist toll, auf immer wieder neue Themen zu stoßen, mit wechselnden Kunden zu tun zu haben, die allesamt anders arbeiten und anderes von mir erwarten. Und ich finde es reizvoll, neue Formate und Darstellungsformen kennen zu lernen, in denen ich mein Handwerkszeug einsetzen und erweitern kann. Anlässlich meines diesjährigen Jubiläums sehe ich mich also nun in einer Position, in der man Jüngeren ungefragt Ratschläge erteilen kann. Wer sich also mit dem Gedanken trägt, sich als Journalistin oder Journalist selbstständig zu machen, dem möchte ich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) folgende Gedanken mit auf den Weg geben:

  • Keine Angst vor dem Behördenkram. Die Anmeldung einer freiberuflichen Tätigkeit beim Finanzamt ist schnell gemacht, und die erforderliche Buchhaltung ist bei halbwegs geordneter Arbeitsweise überschaubar. Vor allem, wenn man sich dabei von einem guten Steuerbüro helfen lässt. Ich bin der Meinung, dass sich die Ausgaben für Steuerberatung lohnen – denn wir machen uns schließlich nicht als Schreiberlinge selbstständig, um dann den lieben langen Tag mit Rechnen zu verbringen.
  • Selbstbewusst die eigenen Preise vertreten. Ja, es gibt viele Freie, die sich mit Zeilenpreisen von 0,30 Euro zufrieden geben. Doch davon kann man nicht leben und sollte es deshalb auch nicht versuchen. Wenn Zeitungen nicht mehr ausgeben wollen, müssen sie sich damit abfinden, dass sie für ihr Geld allenfalls Hobbyautoren bekommen, die noch bei ihren Eltern wohnen oder bereits Rente beziehen. Zur professionellen Arbeit gehört auch professionelles Verhandlungsgeschick.
  • Selbstständigkeit ist ein sicherer Job. Wie oft habe ich von Leuten Sätze gehört wie: „Oh, mir wäre das ja zu unsicher, selbstständig zu arbeiten!“ Als Angestellte sind sie allerdings abhängig von einem einzigen Arbeitgeber. Und wenn der sie nicht mehr haben will (siehe oben…), Jobs streicht oder seinen Laden dichtmacht, dann gibt es gar keinen Job mehr. Als Selbstständige habe ich verschiedene Kunden, mit denen ich Umsatz generiere. Bricht einer von ihnen weg, dann ist das zwar schade – doch es gibt noch andere Kunden und damit weiterhin eine Existenzgrundlage.
  • Banken sehen das leider oft anders. Das musste ich erleben, als mein Mann und ich uns vor gut 6 Jahren ein Haus gekauft und dafür mit Banken über Darlehen verhandelt haben. Wenn es um Bankkredite geht, gilt eine unbefristete Festanstellung immer noch als belastbarer als eine gut laufende Selbstständigkeit. Warum das so ist, kann ich mir nicht erklären. Allerdings verbessert sich die Kreditwürdigkeit von Selbstständigen mit der Zeit – 3 Jahre sollte man sich aber schon am Markt gehalten haben, bevor man wegen eines Kredits bei einer Bank anklopft.
  • In einem kleinen Teich ist man schnell ein großer Fisch. Ein Hoch auf die Nische! Für mich hat es sich als vorteilhaft erwiesen, mich in meiner journalistischen Tätigkeit auf bestimmte Themengebiete zu spezialisieren. Das heißt, dass ich ganz überwiegend über Gesundheitspolitik, (ambulante) Chirurgie und Diabetes schreibe. Natürlich kann man mich auch für andere Aufträge buchen. Doch auf diesen Feldern kenne ich mich aus, verfüge über ein gutes Netzwerk an Kontakten und habe mir an vielerlei Stellen einen guten Namen gemacht. Das wäre mir sicherlich weniger gut gelungen, wenn ich mit einem großen Bauchladen von Themen auftreten und mal über die Frauenpolitik in der IG Metall, mal über ehrenamtliche Helfer in Hospizen und mal über ökologische Landwirtschaft in Dithmarschen schreiben würde.
  • Freizeit ist wichtig, damit die Arbeit klappt. Für mich war es von Anfang an klar, dass ich nicht rund um die Uhr arbeiten kann. Schließlich hatte ich zum Zeitpunkt meiner Existenzgründung einen neunjährigen Sohn zu versorgen. Es gab also immer schon Urlaub. Außerdem waren die Wochenenden tabu, und zwar von Anfang an. Natürlich gibt es Ausnahmen: Medizinische Fachkongresse finden nun einmal überwiegend an Wochenenden statt. Wenn ich von ihnen berichten will, muss ich Samstage und Sonntage opfern. Doch Wochenendarbeit ist nicht die Regel, und das sollte man auch seinen Kunden vermitteln.
  • Ohne Selbstdisziplin und Eigenmotivation geht es nicht. Mein Mann beschreibt mich gern mit den Worten: „Meine Frau ist von Beruf Journalistin und hat als Hobby Schreiben.“ Mir fällt es leicht, mich zur Textakrobatik zu motivieren. In der Regel habe ich auch wenig Scheu, unbekannte Menschen anzurufen und ihnen meine Arbeit anzubieten. Ich kann mich recht gut organisieren und parallel an verschiedenen Projekten arbeiten, ohne mich zu verheddern. Wem diese Eigenschaften fehlen, dem rate ich, die Sache mit der Selbstständigkeit vielleicht doch noch einmal zu überdenken.
  • Rechtzeitig für Krankheit und Alter vorsorgen. Meine Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung laufen über die Künstlersozialkasse. Doch ich habe beizeiten weiter vorgesorgt, damit ich im Falle von Berufsunfähigkeit oder längerer Krankheit abgesichert bin. Man sollte die private Vorsorge rechtzeitig angehen und nicht auf die lange Bank schieben, bis sie aufgrund des fortgeschrittenen Alters oder möglicher Vorerkrankungen teurer wird.
  • Regelmäßig weiterbilden und Ideen sammeln. Mein Ziel ist es, jedes Jahr mindestens zwei Fortbildungen zu besuchen. Das gelingt zwar nicht immer, denn manchmal fehlt es dann doch an Zeit oder an auch an spannenden Seminarangeboten. Doch an meinem Ziel möchte ich dennoch nicht rütteln. Ich profitiere sehr davon, immer wieder einmal die eigene Arbeitsweise zu reflektieren, neue Techniken zu erlernen und mich mit Kolleginnen und Kollegen über meine journalistische Arbeit auszutauschen.

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